Geschichte der Tin Whistle

Die ältesten erhaltenen Whistles stammen aus dem 12. Jahrhundert. Eines der wenigen Exemplare, das öffentlich zu besichtigen ist, ist die Tusculum Whistle - eine Messingflöte mit 6 Löchern, die im Museum of Scotland in Edinburgh ausgestellt ist. Sie ist 14 cm lang und verfügt wie unsere heutigen Whistles über sechs Grifflöcher. Das Instrument wurde zusammen mit Töpferwaren gefunden, die aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammen.

L.E. McCullough, U.S. Folkmusiker und Lehrbuchautor, weist in seinem 1976 erschienenen Buch "The Complete Irish Tin Whistle Tutor" darauf hin, dass darüber hinaus Tin Whistles schon in den Brehan Laws erwähnt wurden. Dabei handelt es sich um eine Art Gesetzbuch aus der gälischen Periode Irlands, dass den Alltag und die Politik regelte und unter anderem eine Beschreibung von Feadan-Spielern am Hofe des Königs von Irland enthält. Etymologisch betrachtet leitet sich das keltische Wort für Tin Whistle - nämlich Feadóg - von dem alten keltischen Wort Feadan ab. Man beachte, dass die Ursprünge der Brehan Laws bis ins 3. nachchristlichen Jahrhundert zurückreichen!

Brehan Laws

Alt und sehr wichtig: Eine Seite aus den Brehon Laws

Der Begriff Penny Whistle entstand aus der Verbreitung von Tin Whistles unter Bettlern und Vagabunden im 15. Jahrhundert. Der Begriff Tin Whistle hingegen entstand erst 1825 (1). Dennoch war keines der beiden Worte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wirklich gebräuchlich (2).

Die ersten industriell gefertigten Whistles wurden von Robert Clarke in Manchester und später in New Moston (England) hergestellt. Bis 1900 wurden sie als Clarke London Flageolets oder Clarke Flageolets gehandelt (3).

Robert und Sarah Clarke

Robert und Sarah Clarke - 1871

Die wirkliche Erfindung der Whistle gelang Robert Clarke in seinem Heimatdorf Coney Weston in England. Clarke arbeitete zu dieser Zeit als Landarbeiter auf einer nahegelegenen Farm, und spielte selbst ein Holzflageolett. Ihm kam zu Ohren, dass es ein neuartiges Material gebe: Weißblech - die spätere Mutter aller Coladosen. Da er mit dem ortsansässigen Hufschmied befreundet war, bat er diesen, ihm ein Stück davon zu besorgen, um seine Holzflöte in moderner Form nachzubauen. Die neue Flöte spielte sich dermaßen gut, dass er beschloss, solche Flöten in Serie zu fertigen. In Lancashire setzte gerade die Industrialisierung ein und Robert beschloss, mit seinem Sohn dort hinzuziehen, um seinen Traum zu verwirklichen. Also machte er sich mit seinen Werkzeugen und einem Handwagen zu Fuß auf den langen Weg.

Unterwegs hielt er in Dörfern an, die einen Markt hatten und verkaufte dort seine handgemachten Whistles. Ab und an traf er auf Seeleute und irische Wanderarbeiter, die Kanäle aushoben und verkaufte auch ihnen seine Whistles. Diese Iren nahmen die Whistles mit zurück nach Irland, wo sie schnell zum beliebtesten Folkinstrument überhaupt wurden.

Als er nach einer Reise von fast 400 km in Manchester ankam, mietete er sich eine Baracke und begann dort mit der Produktion. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Im Laufe der Zeit baute Robert zwei Häuser und spendete dem Ort New Moston, einem Dorf in der Nähe von Manchester, sogar eine Kirche. (7)

Die Griffweise der alten Clarkes entspricht der Griffweise der Irish Flute - einer Holzquerflöte, die wiederum dem einfachen Boehm-System entspricht, das sich wiederum bei den Barocktraversflöten und nahezu allen einfachen diatonischen Flöten weltweit wieder findet. Egal ob man sich Kavalleriefifes aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, Bambusflöten aus Indien oder moldavische Doppelflöten, englische Fifes oder deutsche Schwegelpfeifen anschaut.

Erst in der Klassik begann sich die komplexere Blockflötengriffweise durchzusetzen, die dazu geführt hat, das wir heute alle Tonarten mit diversen Verrenkungen auf einer C-Flöte spielen können.

Die Geburt der heutigen Whistle

Clarke begann seine Produktion ca. 1843. Seine erste Whistle, die MEG Whistle, wie sie auch heute noch erhältlich ist, war in hoch A gestimmt. Einige Jahre später gab es dann die ersten Instrumente in den Tonarten D und C, den verbreitetsten Tonarten der viktorianischen Kammermusik. 1851 wurden diese Flöten bereits bei der "Great Exhibition", einer der weltweit ersten internationalen Handelsmessen im Hyde Park in London, ausgestellt. (4)

Der Name Meg ist gleichbedeutend mit dem alten englischen Wort für einen halben Pfennig.

Clarke Original Whistle

Eine Clarke Whistle in der Bauweise von damals

Sound

In der zweiten Häfte des 19. Jahrhunderts kamen weitere Produzenten wie Barnett Samuel und Joseph Wallis hinzu und brachten die ersten Whistles mit einem zylindrischen Messingkorpus statt eines konischen Blechkörpers auf den Markt. Wer sich eine schöne Vergiftung zuziehen möchte, sollte auf diesen alten Whistles spielen, denn das Mundstück war aus Blei. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die zylindrische Bauweise von der Firma Generation aufgegriffen. Übrigens anfangs auch mit Bleimundstück. Im Laufe der Jahre erfolgte dann die Umstellung auf Kunststoff. Die oben genannten Firmen sind übrigens alle in England beheimatet Dennoch ist die Tin Whistle, zusammen mit der Bodhran und der Uillean Pipe, eigentlich das irische Instrument.

Die erste irische Firma, die Whistles für den irischen Markt hergestellt hat, war übrigens Feadóg Teoranta aus Dublin. (5) Meine erste Whistle mit der ich vollauf zufrieden war, war die Nickle D von Feadóg, die ich mit 16 Jahren in einem Musikladen in Schottland gekauft habe.

Die meisten Tin Whistles werden seit Robert Clarkes MEG Whistle in hohen Tonlagen hergestellt, jedoch gibt es diese Instrumente auch als Low Whistles und neuerdings auch als Alto Whistles in mittleren Tonlagen. So findet sich zum Beispiel im Boston Museum of Fine Arts ein Stück aus der Privatsammlung des Bankers und Botanikers Edward Galpin. (6)

In den 60er Jahren wurden die Low Whistle von Finbar Furey wiederentdeckt, der sich von Bernard Overton Instrumente bauen ließ. In den letzten Jahren erlebt speziell die Low Whistle ein Revival und es entstehen neue Instrumente in diversen Tonarten. Mehr dazu unter Low Whistles.

Quellen:

    (1) Oxford English Dictionary online edition
    (2) Weder das Wort Tin Whistle, noch das Wort Pennywhistle tauchen in englischen Wörterbüchern, Lexika oder Thesauruswerken des frühen 20. Jahrhunderts auf.
    (3) Dannatt, Norman (1993). The Penny Whistle. The Clarke Tinwhistle Co.
    (4) Dannatt, Norman. "Antique Clarke whistle collection". befragt am 10 Juli 2006.
    (5) Lynette McCoullough - Geschäftsführerin von Feadóg - mündlich Sommer 2005
    (6) "Duct flute". Leslie Lindsey Mason Collection, Ex. coll. Francis W. Galpin. befragt am 16 January 2006
    (7) Clarke Tin Whistle Website - Februar 2009